Samstag, 7. August 2010

Alice im Wunderland

So, ich hab wieder fleißig Filme geguckt und eigentlich sollte diese Review Teil des zweiten Pakets Kurz-Reviews sein, doch nun hab ich mich doch zu einer Review hinreißen lassen, die alles andere als kurz ist. Jetzt werde ich mich dann doch mal zurück an "Omega" und den Artikel zu "The new Men in Charge" für das Lost-Blog setzen. Ich hoffe, ich komme zwischendurch zu den Kurz-Reviews, wo in jedem Fall "#9" dabei sein wird und vermutlich auch "The Wolfman". Bei der dritten bin ich noch schwer am überlegen.

Das Kinderbuch "Alice im Wunderland" und dessen Nachfolger "Alice hinter den Spiegeln" von Lewis Carroll sind ein Stoff, der wohl zu den meistverfilmten der Literaturgeschichte zählt - nun wäre Tim Burton, aber nun einmal nicht Tim Burton, wenn er einfach nur eine weitere Adaption aus dem Hut zaubern würde. Burton macht etwas, das wohl bei keinem anderen geglückt wäre: ein weiteres Sequel. Die Grundidee ist ähnlich wie bei Spielbergs "Hook" - so wie damals Peter Pan als Erwachsener nach Nimmerland zurückkehrte, schickt Burton nun Alice am Tag ihrer Verlobung Heim ins Wunderland. Doch während Peter sein altes Selbst wiederentdecken musste, muss Alice lernen, sich, so wie sie ist, in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts zu behaupten: ein bisschen verrückt eben. Burton verknüpft also viele Elemente der Originalbücher von Carroll mit einer erwachseneren, epischen Story und was herauskommt ist ganz großes Kino. Während Burton sonst seinen Adaptionen eher mehr Nonsens verpasste, als ihre Vorlagen hatten, nimmt er Alice viele der abstrusen Dialoge. Normalerweise wäre das ein Grund, sich zu ärgern, doch wurde der Stoff schon oft genug nur geringfügig modifiziert verfilmt, um endlich mal etwas mit den Figuren und Einfällen zu spielen - schließlich ist die Vorlage so herrlich durchgeknallt und verspielt, dass sie geradezu danach schreit, mal modernisiert interpretiert zu werden. Was man bei anderen Literaturverfilmungen als sträfliche Ignoranz ansehen würde, ist bei "Alice im Wunderland" eigentlich Pflicht. Denn so wie Carroll selbst mit den Erzählungen anderer herumexperimentierte, sie parodierte und karikierte, wäre er Burton wohl kaum böse um die sehr freie, erwachsenere Neuinterpretation. Und der Nonsens fehlt nicht, er ist nur etwas in den Hintergrund gerückt - die neue Alice ist handlungsbetonter, epischer, bildgewaltiger und spannender, aber nichtsdestotrotz bleibt es Alice. Die Alice?
"Also, wenn sie's wär, wird sie's wohl sein!"

Nachdem Alice (Neuentdeckung Mia Wasikowska) es endlich geschafft hat, ihre Erinnerungen an ihre letzten Besuche im Wunderland als Träume zu verbuchen, flieht sie als junge Frau vor der Verlobung mit Hamish Ascot (Leo Bill) erneut ins Wunderland. Die großaufgezogene Verlobungsfeier wird herrlich überspitzt in Szene gesetzt und die Nebendarsteller übertreffen sich hier wahrlich in schrulligem und biederem Gebaren.
Alice stürzt also zurück ins Wunderland, das aber, wie wir nun erfahren, eigentlich Unterland hieß (der phonethische Fehler der jungen Alice, ist im Englischen natürlich um vieles verständlicher: "wonder" - "under"). Es folgt die altbekannte Szene mit Trank, Schlüssel, Tür und Kuchen, die von den Bewohnern des Unterlands, die Alice durch ein Schlüsselloch beobachten, kommentiert wird.
"Man sollte meinen, sie kenne das alles noch vom ersten Mal",
meint der Dodo mürrisch. Geschrumpft, gewachsen und wieder geschrumpft tritt Alice also ins Wunderland/Unterland ein.
Ihr Empfangskomitee bilden die Blumen, der Dodo (Michael Gough), die Haselmaus (Barbara Windsor), das Weiße Kaninchen (Michael Sheen), Diedeldum und Diedeldei (Matt Lucas in einer sehr schönen Doppelrolle).
"Ich bin Diedeldei, er Diedeldum" -
"Andersrum: Ich bin Diedeldum, er Diedeldei!"

Die Truppe streitet sich jedoch unentwegt, ob diese Alice, denn nun die richtige Alice sei.

Am Ende beschließen sie, Alice zu Absolem (Alan Rickman), der Raupe, zu bringen. Anders als bei den anderen reinen Sprechrollen (wie etwa dem Kaninchen oder dem Dodo) merkt man Absolem den "Darsteller" auch im Deutschen noch an, denn Absolem hat Rickmans deutsche Stammsynchronstimme Bernd Rumpf und die Raupe sieht Rickman im Gesicht zumindest etwas ähnlich. Aber jedem ist wohl klar: Alan Rickman gehört zu den Schauspielern, die man schwerlich synchronisieren kann - wie auch Hugo Weaving, Ian McDiarmid, Michael Emerson oder Christopher Lee, der in Alice auch eine kleine Sprechrolle hat.

Absolem zeigt Alice das Oracolum, ein Kompendium der Geschichte von Unterland, welches weissagt, Alice werde am Blumertag mit dem Vorpal-Schwert den Jabberwocky (dem lieh übrigens Christopher Lee seine Stimme) erschlagen.
"Der Tag wird blumer sein, denn du erschlägst den Jabberwocky."

Hier ist dem Team um Burton dann doch ein kleiner Fehler unterlaufen, denn "Jabberwocky" ist der Name des Gedichts, in dem die Kreatur Jabberwock ebenso wie der Bandersnatch und der Jubjub-Vogel erwähnt und mehr oder weniger umschrieben werden. Alle drei haben ihren Weg in die Filmadaption von Burton gefunden (von oben links nach unten rechts: Jabberwocky, Alice im Kampf mit selbigem, Bandersnatch und Jupjup-Vogel):

Der Bandersnatch ist es auch, der kurz nach Absolems Verkündung, Alice sei "nicht gänzlich" die richtige Alice, gefolgt von Soldaten der Roten Königin (Helena Bonham Carter - Tim Burtons Ehefrau) die kleine Versammlung angreift. Dodo und Kaninchen werden Gefangen genommen. Die Maus attackiert den Bandersnatch, stiehlt ihm das rechte Auge und Alice flieht in Begleitung von Diedeldei und Diedeldum zu einer Weggabelung, doch da wird's knifflig: Wo sollen sie lang gehen?
"Da lang: Ost nach Quost!" -
"Neeeeein, Süd nach Snüd!"
Der Jupjup-Vogel greift an und schnappt sich Alices streitlustige Begleiter. Die nun folgende Flugsequenz ist ziemlich eindeutig vor allem für den 3D-Effekt der Kino-Fassung im Film, denn obgleich sie sehr beeindruckend sein dürfte, wenn man sie in 3D auf der großen Leinwand sieht, so verliert sie im Heimkinoformat doch nahezu gänzlich an Reiz. Sie schafft aber zumindest einen fließenden Übergang zur ersten Szene im Schloss der Roten Königin, die hier vor allem als Antagonisten vorgestellt und etabliert werden soll. Und natürlich darf ein Satz hier nicht fehlen:
"AB MIT DEM KOPF!"
Alice trifft derweil auf die Grinsekatze (Stephen Fry), die sie zum Verrückten Hutmacher (Johnny Depp) führt, der natürlich wie üblich mit dem Märzhasen (Paul Whitehouse) Tee trinkt.
Tja, und hier kommen wir dann doch zu meinem einzigen wirklichen Kritikpunkt: Nicht, dass Johnny Depp in der Rolle nicht absolut großartig wäre oder ich etwas gegen seine häufige, aber stets überaus fruchtbare Zusammenarbeit mit Burton hätte, nein, das Problem liegt hier woanders. Die Hauptfigur bei "Alice im Wunderland" ist nun einmal Alice und nicht der Hutmacher, welchem wegen Depp zu viel Gewicht in der Story beigemessen wird. Doch auch dann noch wächst der Charakter nicht über eine Nebenfigur hinaus. Und da muss man doch wirklich mal fragen, warum Johnny Depp auf DVD-Cover, Kinoplakat und so weiter als der Hauptdarsteller gefeiert wird und Mia Wasikowska in der Castingliste (auf der Rückseite der DVD-Hülle) sogar noch hinter Carter, Hathaway und Lucas steht. Da hat Disney sich in meinen Augen nun wirklich einen der größten Fauxpas der Filmgeschichte geleistet. Es ist ja nichts Neues, dass Studios immer meinen, sie bräuchten einen großen Namen auf dem Kinoplakat, der ordentlich Kinogänger zieht. Doch sonst hat man ja für gewöhnlich immerhin noch den Anstand besessen, den unbekannten Hauptdarsteller daneben zu listen. Aber in diesem Fall degradiert man die Hauptdarstellerin zu einer Art Beiwerk, der im sonstigen Staraufgebot untergeht. Das hat dieser Film nicht nötig, denn er spricht für sich und brauch nicht die Namen der Stars auf den Kinoplakaten. Außerdem tut es Mia Wasikowska Unrecht, denn die braucht sich hinter ihren berühmten Kollegen wahrlich nicht zu verstecken. Das ist gewiss Nichts, was man Depp oder Burton anlasten müsste, und es tut dem Film auch keinen Abbruch. Diese Marketingstrategie ist nur mal wieder ein Beweis dafür, wie in Hollywood die Uhren ticken - selbst bei richtig guten Filmen muss das Studio nochmal ordentlich Mainstream und große Namen erzwingen, weil es ja sonst kein Erfolg wird. Da frag ich mich doch echt, ob die Herren Studiobosse eigentlich niemals klug werden. Die Liste von Filmen, die ohne berühmte Stars große Erfolge feierten, ist lang. Noch länger ist nur die Liste von Filmen, die dem Rezept der Studios für Erfolgsgarantie entsprechen und an den Kinokassen scheiterten. Warum? Weil der Zuschauer letztlich nicht so blöd oder berechenbar ist, wie man ihn gerne hätte. Aber kehren wir aus der Kritik an den Mechanismen der Traumfabrik mal ins Wunderland zurück:
Vom Hutmacher erfährt Alice, dass die Herzkönigin/Rote Königin ihre Schwester, die Weiße Königin (Anne Hathaway) gestürzt hat. Kleine Randinfo zur Roten Königin/Herzkönigin: Burton setzt die beiden Antagonistinnen aus Band 1 und 2 gleich. Während sich der erste Band an einem Kartenspiel orientierte, war der zweite einem Schachspiel nachempfunden und anders als bei uns sind die Farben im Schach in Großbritannien für gewöhnlich nicht Weiß und Schwarz, sondern Weiß und Rot.
Der Hutmacher, der Märzhase, die Grinsekatze und "Alices Empfangskomitee" sind Teil einer Rebellion zum Sturz der "miesen Breitrübe" - ein Spitzname, den die Bewohner von Unterland ihrer tyrannischen Herrscherin verliehen haben. Die Rote Königin hat aber schon ihre Häscher nach Alice ausgesandt. Geführt werden die Truppen der Roten Königin vom Herz-Buben Ilosovic Stayne (Crispin Glover), der den Spürhund Bayard (Timothy Spall) dazu nötigt, Alice aufzuspüren.

Alice flieht jedoch mit der Hilfe des Hutmachers und kann sich sogar in den Hofstaat der Roten Königin einschleusen. So gelingt es ihr, nicht nur das Vorpal-Schwert zu stehlen, sondern sie kann auch den Bandersnatch für ihre Sache gewinnen, indem sie ihm sein Auge zurückgibt. Sie flieht auf der Kreatur zum Schloss der weißen Königin, welche nun zum Krieg rüstet, denn der Blumertag ist nah.

Im Schloss der Roten Königin gelingt derweil den Rebellen durch einen Trick von Grinsekatze und Hutmacher die Flucht.

Tja, und was dann folgt, kann sich wohl jeder denken: Es kommt zur finalen Schlacht, bei der ich mal lieber noch ein paar Bilder sprechen lasse:


Abschließend will ich noch ein mal auf das Thema "Traum" zu sprechen kommen. Zwar wird an vielen Stellen suggeriert, dass alle drei Besuche von Alice im Wunderland völlig real waren (sie behält sogar eine verletzung am Oberarm zurück), doch Burton versteckt auch viele Andeutungen, die auf das Gegenteil schließen lassen, womit die Frage doch wieder offen bleibt. Zunächsteinmal hat das Wunderland seine infantilen, kindlich verträumten Züge fast gänzlich verloren und ist praktisch mit Alice zusammen erwachsen geworden, behält aber ebenso wie sie unter der Oberfläche all die Verrücktheit bei. Dann finden sich starke Parallelen zwischen dem Hofstaat der Roten Königin und der Verlobungsgesellschaft in Gebaren und Kleidung. Zwei Mädchen bei eben jener Gesellschaft erinnern in ihrer Art des Gesprächs stark an Diedeldei und Diedeldum. Außerdem grüßt Alice in der letzten Szene einen Schmetterling, der auf ihrer Schulter landet: "Guten Tag, Absolem!" Aber vielleicht liegt die Wahrheit auch irgendwo dazwischen und das Wunderland ist zwar real, aber so eng mit Alice verknüpft, dass es sich ihr in gewisser Weise anpasst.
Als Fazit kann ich nur sagen: Ein wunderbarer Film, der mich - wie eigentlich jeder Tim Burton-Film - sehr gut unterhalten hat, einen mal zum Lachen bringt und dann wieder traurig macht. Burton ist und bleibt ein Meister seines Faches, denn er hat eine Meise, ist verrückt, nicht bei Sinnen, aber ich verrate euch was:
"Das macht eben die Besten aus!"

1 Kommentar:

  1. Ich liebe Alice in Wonderland! Glabt mir ich bin eine Experte :] ich hab den Film in eine Buchversion auf italienisch geschriben. Ich bin grade vor 20 min. fertig geworden... huff... ich werde es vieleicht ins netz stellen :) natürlich werde ich noch die übersetztungen auf deutsch und english machen :D kontaktiert mich: alice-in-wonderland@hotmail.ch
    Danke

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